Was genau muss die Führungskraft der Zukunft eigentlich können?
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, wurden 58 ExpertInnen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zum Thema Führung 4.0 befragt*.
Daraus ergaben sich wesentliche Trends für die Führungskräfte der Zukunft.
Die 3 folgenden wurden am häufigsten benannt:
Veränderte Einflussmöglichkeiten von Führungskräften - Abgabe von Macht, Demokratisierung
Erhöhte Bedeutung beziehungsförderlichen Verhaltens - Coaching, Enabling, Vernetzung
Erhöhte Kompetenzanforderungen - Agilität, Veränderungsmanagement, Führung auf Distanz
Kurz zusammengefasst: Die große Aufgabe besteht vor allem in der Bewältigung der steigenden Komplexität.
Aber warum ist auf einmal alles so viel komplexer?
Digital Revolution
Der Grund dafür ist die Digitalisierung. Alles wird schneller, lauter, vielfältiger und multidimensionaler, wenn es das nicht schon ist. Und wir sind damit noch lange nicht fertig.
Gefühlt werden tagtäglich bahnbrechende Innovation in der ………… (beliebige Branche Deiner Wahl hier einfügen) gelauncht, neue Geschäftsmodelle eingeführt und ab 2024 können wir wohl auch auf den Mond fliegen.
Allerdings würde uns über kurz oder lang auch dort ein Thema umtreiben:
Welche Fähigkeiten brauchen gute Leader?
In der Vergangenheit war Führung meist eine einigermaßen lineare Angelegenheit: Eine Führungskraft war Vordenker, gab Anweisungen und zeigte den Weg an. Das ist heute immer weniger der Fall.
Ein cleveres Köpfchen reicht nicht mehr aus um eine erfolgreiche Unternehmung in unserer neuen Welt zu führen. Es braucht alle im Netzwerk. Und zwar zu anderen Bedingungen als noch vor 10 Jahren.
Die 3 oben genannten Trends - und besonders Punkt 2 - erklären sich so fast von selbst. Denn um Komplexität zu begegnen, braucht es die kollektive Intelligenz guter Netzwerke.
Wir benötigen heute, mehr denn je, die Kreativität, Erfahrungen, Fähigkeiten und das Wissen des gesamten Teams. Um das zu fördern braucht es Demokratie, Raum, Vernetzung und Input.
Und daraus ergeben sich die neuen Aufgaben der Führungskraft 4.0:
Bereitstellen, Rahmenbedingungen schaffen, Regeln erklären, beobachten, vernetzen, beraten, coachen und die Richtung im Auge behalten.
Spätestens hier wird uns klar, dass die Fähigkeit mit Menschen gut umzugehen ein MUST ist.
Die Erfahrung zeigt, dass es jenen besonders gut gelingt, die sich selbst kennen und sich selbst führen können. Der Weg dahin führt über die Selbstreflexion.
Selbstreflexion - Sich selbst beobachten
Selbstreflexion heißt nichts anderes, als sich mit sich selbst zu beschäftigen. Es geht darum eigene Gewohnheiten, Verhalten und Tendenzen zu beobachten und Stärken & Schwächen zu verstehen.
Im ersten Schritt wird das idealerweise ohne viel Bewertung gemacht. Es geht nicht darum, die Gut und Böse Schubladen aufzumachen. Am Anfang geht es vielmehr um das bewusste Wahrnehmen.
Je nach Kontext kann ich mir dazu bestimmte Fragen stellen.
Als Führungskraft kann ich mir folgende vornehmen:
Wieso bin ich Führungskraft?
Was gefällt mir an dieser Aufgabe?
Was gefällt mir weniger an dieser Aufgabe?
5 Worte, die meinen Führungsstil beschreiben
Welchen Nutzen bringe ich als Führungskraft den Menschen, mit denen ich arbeite?
Wie entwickle ich mich als Person, seitdem ich diese Aufgabe übernehme?
Was ist passiert, als ich das letzte Mal meinen Führungsstil hinterfragt habe?
3 Situationen, die zur Folge hatten, dass sich mein Führungsstil veränderte
Was würde ich tun, wenn ich keine Führungsposition übernommen hätte
Das sind nur ein paar Inspirationen zur Selbstreflexion. Diese Fragen sind gut geeignet, um sie in größeren Abständen - z.B. halbjährlich - immer mal wieder zu beantworten. Ich empfehle 2 bis 3 davon herauszusuchen und die Antworten in Ruhe aufzuschreiben. Am nächsten Tag nehme ich mir weitere 2 bis 3 Fragen vor u.s.w.
Eine Methode, die für mich gut funktioniert: Eine der Frage auswählen (ich nehme die, die mich gerade am meisten interessiert) und mit in die Meditation nehmen. Dabei lege ich den Fokus auf meine körperliche Reaktion. Ich beobachte das einfach. Wenn ich zum Beispiel merke, dass mir die Frage einen Kloß im Hals verschafft, dann nehme ich das als Hinweis wahr. Ich versuche den Kloß nicht weiter zu analysieren, sondern weiß einfach nur, dass da was war.
Dann lasse ich diese Wahrnehmung wieder ziehen und spüre, ob sich noch was anderes zeigt. Ich habe so gelernt, mein Gehirn mit seinen Gedanken und Bewertungen etwas zu bändigen. Ich „höre“ so mein Herz und Bauch besser. Die haben meist auch etwas beizutragen. Manchmal sind das Dinge, die mein Kopf verdrängt oder noch gar nicht bemerkt hat.
Danach nehme ich Stift & Papier zur Hand und schreibe alles auf, was mir zur Frage einfällt. Jetzt darf auch mein Gehirn mitmachen.
Wenn Du Deine Antworten aufgeschrieben hast, nimm Dir ein paar Minuten Zeit zum auswerten.
Hast Du alle Fragen ganz ehrlich beantwortet? Gibt es eine Antwort, mit der Du Dich selbst überraschst? Was fällt Dir besonders auf?
Schreib anschließend ein Learning oder ein Ziel für die kommenden Tage auf. Sobald Du dein Anliegen formuliert hast, fängst Du automatisch an, selektiver zu beobachten. Meist folgen darauf auch erste, kleinere Anpassungen und Veränderungen. Das geht oft wie von selbst.
Hier ein Beispiel: Vielleicht stellst Du fest, dass Du unsicher bist, ob Deine 5 Worte - Deinen Führungsstil beschreibend - wirklich treffend sind. Das kannst Du mit in Deinen Alltag nehmen und anfangen zu erforschen. Beobachte Dich bei der Arbeit und in Interaktion mit den KollegInnen und MitarbeiterInnen. Stimmt Deine Beschreibung?
Aufschluss erhältst Du zum Beispiel auch in Beurteilungen, Feedback- und Mitarbeitergesprächen, Coachingsessions und in Gesprächen mit Mentoren, Freunden und Familie.
Tägliches Stand-Up mit mir selbst
Eine weitere Methode, die sich bewährt hat, wenn es um das Thema Reflexion geht, ist das Stand-Up. Team Stand-Ups kennen die meisten bereits, aber hier geht es nur um Dich. Nimm Dir jeden Tag - zum Beispiel als letzte Amtshandlung am Ende des Arbeitstages - 10 bis 15 Minuten Zeit für ein kleines Resümee nur mit Dir selbst.
Das geht ganz einfach mit diesen Impulsen:
Was lief heute besonders gut?
Was lief heute nicht gut?
Was kann ich morgen besser machen?
Das kann natürlich je nach Zeitrahmen und Situation beliebig erweitert werden.
Wenn ich zum Beispiel festgelegt habe, dass ich demnächst den Fokus auf die Beziehungen zu den Mitarbeitern in meinem Team legen möchte, dann können folgende Fragen ergänzt werden:
Wer im Team braucht im Moment mehr Support von mir?
Wie kann das umgesetzt werden?
Wie ist die Stimmung? Gibt es Handlungsbedarf?
Unterstützung für die Dokumentation gibt es übrigens mit ein paar guten Apps. Day One ist ein Klassiker und einfach in der Handhabung. Ich finde auch das Five Minute Journal gut. Es ist nicht strikt für den Arbeitskontext gedacht, aber es ist definitiv eine schöne App, die Mindfulness mit uns übt.
Wer den Blick nach innen richtet, lernt sich langsam selbst kennen
Ich persönlich mag es zu schreiben und habe ein echtes Notizbuch für meine tägliche „Runde mit mir selbst“.
Am besten findest Du eine Methode, die Dir am ehesten entspricht.
Sieh Dir auch die Fragen genau an und passe sie so an, dass sie Deiner Intention und Deinen Zielen entsprechen. Das ändert sich immer mal wieder. Es ist „work in progress“ und nichts, was nach einer Woche Aktionismus wieder vorbei ist.
Wer bereits ein paar meiner Blogeinträge gelesen, einen Workshop oder eine Coaching Session bei mir gemacht hat, weiß, dass ich Selbstreflexion für unverzichtbar halte. Egal ob Führungskraft, StudentIn oder MondforscherIn.
Wer den Blick nach innen richtet, lernt sich langsam selbst kennen. Mit all den Fähigkeiten, Talenten, Erfahrungen, Stärken und Schwächen die dazu gehören. Wir lernen so uns selbst zu führen, denn diese Kompetenz ist die Basis für alles andere Führungshandeln und für Weiterentwicklung.
Ernest Hemingway hat es einmal so formuliert:
“There is nothing noble in being superior to your fellow man; true nobility is being superior to your former self.” ―Ernest Hemingway
*Quellen: Kapitel „Führung 4.0 – Wie die Digitalisierung Führung verändert“ von Dipl.-Psych. Tanja Schwarzmüller, Dr. Prisca Brosi und Prof. Dr. Isabell M. Welpe vom Lehrstuhl für Strategie- und Organisation der Technischen Universität München aus dem Buch „CSR und Digitalisierung - Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft“ von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer (Hrsg.)
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